Die Iren und New York – Eine kurze Geschichte der Irish-Americans

Im Hafen von New York waren in den vergangenen Jahrhunderten Abermillionen von Menschen angelandet, die ihre Heimat verlassen mussten, oder diese verlassen wollten, um ein neues und auf jeden Fall ein besseres Leben zu führen. Schon lange bevor der große Hunger in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die irische Bevölkerung vor die Wahl stellte zu Hause zu bleiben und zu sterben oder das Land zu verlassen, wanderten mehr als ein Jahrhundert zuvor bereits rund eine Million Iren in die damalige britische Kolonie aus.

Die Leinen- und Wollindustrie des Landes erlebte zwischen 1720 und 1780 drastische Veränderungen, so wirkte sich unter anderem ein Gesetz der englischen Regierung aus dem Jahr 1698, mit dem der Export irischer Wolle fast vollständig unterbunden wurde, verheerend auf die Produzenten aus. Auch die ins Land geholten Hugenotten, die in Frankreich in den Jahrhunderten zuvor immer wieder Repressalien ausgesetzt waren und deren Webstühle den Produktionsmethoden der irischen Kleinunternehmen haushoch überlegen waren, trugen zum Niedergang der alteingesessenen Betriebe bei. Außerdem legte die britische Regierung mit der Ansiedelung der Hugenotten einen der Grundsteine der bis heute ungelösten Religionskonflikte. Bei den Hugenotten handelte es sich um Protestanten, die in erster Linie in der Provinz Ulster, dem heutigen Nordirland, angesiedelt wurden und dessen Bevölkerung sie mit ihrer deutlich überlegenen Technologie aus dem Arbeitsmarkt verdrängten. Viele Iren sahen daraufhin in ihrer Heimat keine Möglichkeit mehr sich zu entfalten, respektive zu überleben und machten sich auf den Weg in die britischen Kolonien nach Nordamerika. Wobei der Großteil dieser ersten riesigen Einwandererwelle aus Irland New York nur als Durchgangsstation betrachtete und weiter in den Westen zog. Ein verhältnismäßig geringer Anteil blieb in der Stadt und siedelte sich dort an.

Waren es bis Ende der 1790er Jahre mehr protestantische als katholische Iren, die den Weg über den Atlantik auf sich nahmen, stellten ab diesem Zeitpunkt die katholischen Iren die Majorität der Einwanderer, von denen der größere Teil sich in Städten ansiedeln wollte. Einer Schätzung nach bestand im Jahr 1816 ein Viertel der aus rund einhunderttausend Einwohnern bestehenden New Yorker Bevölkerung aus eingewanderten Iren. Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren die Sympathien der irischen Einwanderer klar verteilt. Laut einem britischen Generalmajor, der dem britischen Parlament Bericht erstattete bestünde die Rebellenarmee fast zur Hälfte aus ausgewanderten Iren. Alleine 1500 Offiziere und 22 Generäle irischer Herkunft kämpften um die Unabhängigkeit von der britischen Krone. Lord Mountjoy begründete schließlich die Niederlage der Briten in einer Rede vor dem Parlament mit den Worten Wir haben Amerika durch die irischen Emigranten verloren. Acht der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung von 1776 hatten irische Wurzeln. Drei von ihnen erblickten noch in Irland das Licht der Welt, die anderen fünf waren sogenannte Irish-Americans, waren also bereits in Amerika geboren worden, ihre Familien stammten aber aus Irland.

Im Laufe der Zeit wurden bestimmte Viertel der Stadt klassische irische Siedlungsgebiete. Die Häuser dieser Gegenden waren oftmals die schlechtesten und überfülltesten der ganzen Stadt, wenn nicht sogar der ganzen USA. Trotzdem konnten sich deren Bewohner auf die bereits existierenden Irisch-Amerikanischen Gesellschaften verlassen, die dafür Sorge trugen, dass niemand verhungerte und dass die dort lebenden Menschen mit Jobs versorgt wurden. In den 1790er Jahren siedelten sich große irische Communities in der Nähe der Docks des East River, in der Nähe der Bancker und Harmon Streets, an. Am Beginn des neunzehnten Jahrhunderts expandierten sie vom Fluss weg und erschlossen sich den Sixth Ward. Das Zentrum dieses Bezirks waren die Five Points, der aus den Kreuzungen der Orange, Anthony und Cross Streets bestand. Bis in die 1820er Jahre entstand hier der schlimmste aller Slums der Stadt. Als sich die Stadt in Richtung Uptown ausbreitete, waren dort oft die billigsten Wohnungen zu finden und dadurch auch viele irische Immigranten. Auch im Greenwich Village und den nördlich angrenzenden Nachbarschaften fanden sich viele Iren.

Durch einige Umstände, die wenig mit der bisherigen irischen Besiedelung der Stadt zu tun hatten, sondern politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen der Stadtregierung zuzuschreiben waren, blieb die Attraktivität auch während der Masseneinwanderungen nach 1844 eine Hohe. Seit 1825 war man die größte Stadt des nordamerikanischen Kontinents. Mit der Fertigstellung des Erie Canal, der die Hafenanlagen von New York mit dem ressourcenreichen Hinterland der Midwest verband, wurde die Stadt das Zentrum des nationalen und internationalen Handels und Transports und überflügelte sogar Philadelphia, das bis dahin die unangefochtene Nummer Eins war. Zwischen 1825 und 1845 wuchs die Bevölkerung New Yorks von 166.000 auf 371.000. Die unaufhörlich wachsende Anzahl an Arbeitskräften führte dazu, dass die ansässige Industrie sich in diesem Zeitraum zum Beispiel zum größten Kleidungsproduzenten des Landes entwickelte.

Der Zustrom in den folgenden Jahrzehnten war ungebrochen und erreichte einen erneuten Höhepunkt während des großen Hungers, als die Kartoffelfäule einen Großteil der Ernte in Irland vernichtete und die mit Abstand wichtigste Lebensgrundlage der Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung stand.

Waren bis dahin vor allem besser ausgebildete und auch finanziell teils gut gestellte Menschen nach Nordamerika eingewandert, so war es von nun an ein Querschnitt der irischen Bevölkerung die sich auf den Weg machte, um nicht den Hungertod auf den kleinen Parzellen ihrer Bauernhöfe oder in den ärmlichen Quartieren der Städte zu sterben. So wurde New York zu der Stadt am amerikanischen Kontinent mit der größten irischen Population. Bis 1860 hatte sich jeder sechste irische Immigrant, der ein neues zu Hause in den USA suchte, in New York City niedergelassen.  Viele davon landeten in Stadtteilen mit dem Namen Five Points oder Hell´s Kitchen. Für etliche der ursprünglichen Einwanderer und deren Nachfahren bot die Dynamik der vielfältigen wirtschaftlichen Aktivitäten in dieser frühen Großstadt ungeahnte Möglichkeiten, um die Slums, die diese beiden Stadtteile ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts waren, hinter sich lassen zu können.

Am Beginn der 1880er Jahre lebten vermutlich rund zweihunderttausend in Irland geborene Frauen und Männer in New York. Rund 130 Jahre gibt jeder sechste Einwohner der Metropol-Region New York an, in seinem Familienstammbaum auf irische Wurzeln verweisen zu können. Und das zu einem Zeitpunkt, als die Stadt erneut zur ersten Anlaufstelle von unzähligen Iren wurde, die aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation ihr Heimatland verlassen mussten.

Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte ein Großteil der einflussreichsten Amerikanisch-Irischen Zeitungen ihren Sitz in der Stadt. Patrick Meehan´s Irisch American und John Dvoy´s Irish Nation, später dann der Gaelic American und Patrick Ford´s Irish World. 1882 hatte die Irish World sechzigtausend Abonnenten quer über den amerikanischen Kontinent, bis in die ersten Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hatte sich diese Zahl mehr als verdoppelt.

Unter den irischen Immigranten befanden sich etliche Musiker. Viele davon waren in den vorhergehenden Jahrzehnten nach Chicago weitergereist, das sich zum frühen Eldorado der Musikindustrie entwickelt hatte. New York gewann unter der Mithilfe der irischen Musiker und den Financiers der Aufnahmestudios immer stärker an Bedeutung. Die massenhafte Verbreitung von Musik durch die Erfindung des Phonographen, der Musik die sich auf einer Walze befand, abspielen konnte und einige Jahre später die Erfindung des Grammophons, das Platten aus Schellack-Harz als Tonträger verwendete und längere und qualitativ bessere Wiedergaben ermöglichte, eröffnete der Stadt ein gänzlich neues Geschäftsfeld, das eine Rückkoppelung auf die alte Heimat hatte. Etliche nach Irland transportierte Aufnahmen von New Yorker Irish Fiddlern beeinflussten die Spielweise und den Stil im Land der Vorväter.

Wenige Ereignisse zuvor führten zu einem derartigen Exodus der Bevölkerung wie die große Hungersnot im Jahr 1845 und den darauffolgenden. Es veränderte die Grundlagen der Existenz und hatte Auswirkungen, die bis auf andere Kontinente ausstrahlten.

Das ökonomische und soziale Leben Irlands, kreiste seit der Mitte des 18. Jahrhunderts um die Kultivierung von Kartoffeln. Kartoffeln waren die Lebensgrundlage eines Großteils der Bevölkerung und Bestandteil jeder Mahlzeit. Es ermöglichte den Armen, also der Mehrheit der Einwohner der Insel, die weitere Unterteilung von Grundstücken in noch kleinere Einheiten, da Kartoffeln praktisch überall angebaut werden konnten. Die Kartoffel spielte auch eine Schlüsselrolle bei der astronomischen Zunahme der irischen Bevölkerung, speziell in den westlichen Landesteilen. Durch die Kartoffel konnten die Armen jünger heiraten und ihre Fruchtbarkeit steigern. Allerdings bedingten die größeren Familien auch eine größere Armut.

Die Bedeutung der Kartoffel versteht man nur anhand der britischen imperialen Verhaltensweisen. Im achtzehnten Jahrhundert begann England sich mit den Grundnahrungsmitteln aus irischer Produktion die eigene Urbanisierung und Industrialisierung abzusichern und auch ihren Imperialismus und Kriege rund um den Globus mit Lebensmitteln zu unterstützen. Das Mutterland, also England, und nicht die Kolonie, Irland, heimste die Gewinne aus den landwirtschaftlichen Exporten ein. Hauptsächlich handelte es sich um Getreide, das aus dem Land gebracht wurde. Die Erträge stopften die englischen Besitzer der irischen Anbauflächen in ihre Schatullen. Die irischen Kleinbauern verwendeten alle ihre Energie für den Anbau der einzigen nicht kommerziellen Feldfrucht, die Kartoffel. Ein ausländischer Reisender berichtete 1804 davon, dass die armen Iren andere Länder mit den köstlichsten Nahrungsmitteln versorgten, die sie sich selbst niemals leisten könnten.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde immer mehr Weide- zu Ackerland. In den östlichen Landesteilen versuchte man eine Art von ökonomischer Modernisierung, die zu einer erfolgreichen Kommerzialisierung führte. In den westlichen Landesteilen fand nichts dergleichen statt. Tatsächlich war die Abhängigkeit von der Kartoffel im Westen Irlands, wo deren Kultivierung zum täglichen Überleben beitrug, hier deutlich größer als im Osten des Landes.

Als dann die Phytophthora infestans, die Kartoffelfäule, dieses Grundnahrungsmittel unbrauchbar machte, hatte dies verheerende Folgen auf die Bevölkerung. Eine umgehend einsetzende Hungersnot war die unmittelbar sichtbare Reaktion. Im nächsten Jahr verschlechterte sich die Situation neuerlich. Ab 1846 verfaulte über mehrere Jahre hinweg fast die gesamte Anbaumenge. Die Krise dauerte bis in die 1850er Jahre an. Hilfsmaßnahmen wurden durch eine primitive und ineffiziente Verteilung behindert. Britische Antipathie gegen die Iren im Allgemeinen und irisches Misstrauen gegen ihre britischen Herrscher, trugen ihren Teil zur Verschlimmerung der Katastrophe bei.

Nach vier Jahren der ununterbrochenen Zerstörung der Ernten waren über eine Million Menschen verschwunden. Hunderttausende waren an Hunger, Typhus oder Ruhr gestorben, viele waren aus ihrer Heimat regelrecht geflohen. Journalisten, Schriftsteller und Reisende, die zu jener Zeit in Irland unterwegs waren, berichteten von erschütternden Bildern von unzähligen Bettlern und deren Lebensbedingungen, von Toten oder Sterbenden, die an Straßenrändern lagen, von kleinen Kindern, die bis auf die Knochen abgemagert waren und deren Gesichtshaut blässlich grün gefärbt war und die nie das Erwachsenenalter erreichen würden.

Die, die in der Lage dazu waren, flohen vor dem großen Hunger, und wurden Teil des Exodus. Zwischen 1845 und 1855 verließen rund 1,5 Millionen Menschen das Land in Richtung Nordamerika.

Die große Hungersnot veränderte die Zusammensetzung des Stroms der Emigranten. Im Großen und Ganzen verließen während und nach der Hungersnot deutlich ärmere Menschen das Land als zuvor. Waren es früher vor allem Einzelne so machten sich jetzt wesentlich häufiger ganze Familien auf den Weg.

Ebenso veränderte der große Hunger so grundlegende Dinge wie die Heiratsgewohnheiten der Menschen, die im Land geblieben waren, oder den Umgang mit ihrem Grund und Boden. Vor dem großen Hunger wurde jung geheiratet, da durch den Kartoffelanbau genügend Nahrung zur Versorgung einer wachsenden Familie zur Verfügung stand. Nach der Katastrophe verschob sich das Alter der Heiratswilligen deutlich nach oben, oder man ließ nur mehr einen Sohn oder eine Tochter aus der Familie heiraten, um im Erbfall eine weitere Aufsplitterung von Grund und Boden zu verhindern. In Irland fehlte es an einer ausreichenden industriellen oder städtischen Entwicklung, um all jene Frauen und Männer, die nicht heiraten durften, aufzunehmen und zu versorgen. Da es für Männer einfacher war Arbeit zu finden, wurde die Auswanderung vor und nach dem großen Hunger, nicht nur nach Nordamerika, sondern auch nach Australien und Neuseeland, zu einer weiblichen, unterstützt und vorangetrieben durch verwandtschaftliche Bindungen zu Frauen und Familien, sowie vielerorts durch Freundschaftsnetzwerke in den aufnehmenden Ländern.

Von 1844 an wuchs New York und seine irische Bevölkerung rapide. New York wurde zunehmend zu einer irischen Stadt und die eingewanderten Iren wurden zunehmend amerikanischer. Unabhängig von der Hungersnot in Irland wurde die Stadt in den 1840er Jahren zum größten Einlasstor in die USA für Immigranten. Wenige der neu Eingetroffenen verfügten über die Mittel, die Stadt sofort hinter sich zu lassen und ihr Glück weiter im Inneren der USA zu versuchen. Aber selbst Männer die keinen Beruf gelernt hatten, fanden meistens nach relativ kurzer Zeit einen Job als Arbeiter bei einer der vielen Eisenbahngesellschaften, die gerade dabei waren das Streckennetz quer durch den Kontinent zu bauen, andere wurden bei den vielen Kanalbauprojekten benötigt. Etliche kamen bei Familienmitgliedern, die schon früher ausgewandert waren in Albany, Buffalo, Rochester, Chicago oder etlichen anderen irischen Communities, die sich quer durch Amerika gebildet hatten, unter. Da aber auch New York ständig auf der Suche nach neuen Arbeitskräften war, blieben viele Einwanderer in der Stadt. So bildeten sich mehr und mehr irische Enklaven in der Stadt und der Metropolregion, was es für irische Zuwanderer noch attraktiver machte sich hier niederzulassen. Ein französischer Reisender fasste seine Eindrücke wie folgt zusammen: Durch die enorme Einwanderung wird es bald nicht mehr heißen, Irland ist dort, wo der Shannon fließt, sondern an den Ufern des Hudson River.

 Und doch war es keine feste Verwurzelung mit der Stadt. Viele, die zwar hiergeblieben waren, um sich eine neue Existenz aufzubauen, verließen ihr Wohnviertel oder ihre Stadt, wenn es an einer anderen Stelle in den USA oder in Kanada bessere Jobs oder Lebensbedingungen gab. Die die gingen, wurden von den nachströmenden Immigranten aus ihrer alten Heimat ersetzt.

Mitte der 1850er Jahre war Brooklyn, auf der anderen Seite des East River, noch eine eigene Stadt, die erst gegen Ende des Jahrhunderts New York zugeschlagen wurde. Dort entwickelte sich eine lebhafte irische Kolonie, die mit rund 56.000 irischen Emigranten, ein Viertel der Stadtbevölkerung ausmachte.

Ab den 1840er Jahren siedelten sich viele irische Einwanderer in der Bronx im Umfeld von Unternehmen wie der Harlem Railroad, der Hudson River Railroad oder dem Croton Aqueduct an.

Die ärmsten Iren siedelten sich in Elendsvierteln am Stadtrand an. Die meisten mittellosen irischen Einwanderer, rund 20.000 lebten in den damals noch dünn besiedelten nördlichen Stadtvierteln. Sie hausten auf einem Areal, das in den 1860ern zum Central Park umgewidmet werden sollte oder an der Fifth Avenue im Schatten des langsam voranschreitenden Baus der St. Patricks Kathedrale.

Ein Großteil, der zur Zeit der großen Hungersnot Eingewanderten stammten aus ländlichen Verhältnissen und trafen in New York auf das genaue Gegenteil ihrer bisherigen Lebensverhältnisse. Das Wissen über das Bestellen von Äckern, die Aufzucht und Haltung von Schafen und anderen Nutztieren, hatte hier keinen Wert. Diejenigen, die New York nicht als Durchgangsstation ansahen, oder die nicht in der Lage waren die Stadt zu verlassen, mussten sich hier neu erfinden.

Viele junge unverheiratete eingewanderte Irinnen fanden Arbeit als Hausangestellte oder in Hotels. Die meisten lebten in kleinen Wohnungen oder in Zimmern bei ihren Arbeitgebern, in Stadtteilen, die nicht zu den typisch irischen Quartieren in der Stadt zählten. Im Gegenteil, oftmals handelte es sich um die wohlhabendsten und „amerikanischsten“ Viertel, was zu einer Präsenz an, für eingewanderte Iren zu dieser Zeit, unüblichen Plätzen führte. Viele verheiratete und unverheiratete Frauen arbeiteten als Nährinnen zu Hause in ihren eigenen Wohnungen für ihre Auftraggeber. Vor allem verheiratete Frauen nahmen Kostgänger und Untermieter auf, um einen Teil der Einnahmen hereinzuspielen, die sie durch ihre Heirat verloren hatten. Wieder andere fanden in den Obst- und Gemüseständen eine Arbeit. Die Erfolgreichsten von ihnen schafften es, ihre eigenen kleinen Stände und Läden zu etablieren.

Für die Männer fand sich so gut wie immer Arbeit in den Hafenanlagen der Stadt. Wer dies nicht wollte und über keine Ausbildung verfügte, musste sich als Gepäckträger und Kutscher sein Geld verdienen, oder versuchen in den unzähligen Fabriken als Hilfsarbeiter unterzukommen.

Ein weiterer Bereich, in dem immer Arbeitskräfte gebraucht wurden, zumindest solange die Winter nicht zu streng wurden, war das Baugewerbe. Bald arbeiteten die Iren in eigenen Gruppen. Sie bevorzugten es, wenn sich nur ehemalige Landsleute in ihren Arbeitsschichten befanden. Was sie bei den Arbeitern mit einem anderen ethnografischen Hintergrund nicht sonderlich beliebt machte. Andererseits gelang es ihnen damit auch immer wieder, Streiks als Mittel des Arbeitskampfes einzusetzen und so die Bedingungen für ihre Mitglieder zu verbessern. Die irischen Arbeiter an Brooklyn´s Atlantic Dock verdienten 1846 pro Stunde 87 Cent. Durch einen groß angelegten Streik an den Docks im Jahr 1853 rangen sie den Arbeitgebern einen Stundenverdienst auf $ 1,25 ab.

Ein Teil der in den vorherigen Jahrzehnten eingewanderten Iren, die im Durchschnitt eine deutlich bessere Ausbildung hatten, als diejenigen die vor dem großen Hunger flüchteten, hatten sich bereits in der Stadtverwaltung etabliert und halfen den Neuankömmlingen, um sich besser und schneller einzuleben. So war es kein Zufall, dass bereits 1855 rund ein Viertel aller Polizisten in New York City in Irland geboren waren. 1869 gab es in NYC keinen in Deutschland geborenen Polizeioffizier, obwohl die Deutschen die zweitgrößte Einwanderer-Nation zu jener Zeit waren, dafür fanden sich aber 32 in Irland zur Welt gekommene.

Von den Männern, denen der soziale Aufstieg in die öffentliche Verwaltung verwehrt blieb oder die aus ökonomischen Gründen keine Möglichkeit hatten sich ein kleines Geschäft aufzubauen und die sich mit ihrer meist tristen Lebenssituation nicht abfinden wollten, fanden viele einen Platz in den Vorläufern zu den heutigen Gewerkschaften, die sich eher als Schutzvereine gegen Arbeiter aus anderen Ethnien sowie Nicht-Mitgliedern verstanden und sich für die bessere Bezahlung der eigenen Leute einsetzten. Die klassenkämpferischen Aspekte der irischen Arbeiter standen dabei deutlich stärker im Hintergrund, als es zum Beispiel bei ihren deutschstämmigen Konkurrenten der Fall war.

Auch wenn die Historiker heute noch darüber uneins sind, woher das große politische Interesse der eingewanderten Iren herstammt, so klar ist, wo ihre politische Heimat in NYC zu finden war. Die Demokraten, die über die Mehrheit im Stadtparlament verfügten, artikulierten eine pro-irische und eine allgemein einwandererfreundliche Politik, während die Republikaner vor allem in jenen Vierteln verankert waren, deren Familien schon so lange in Amerika zu Hause waren, um sich als die eigentlichen Amerikaner und New Yorker zu fühlen.

Während vor 1840 die katholische Kirche in der Stadt eine untergeordnete Rolle spielte, veränderte die anschließende Masseneinwanderung ihre Rolle drastisch. Viele Konflikte mit der protestantischen Kirche oder mit antiklerikalen Vereinigungen wurden von der katholischen Kirche fortan offener und offensiver ausgetragen und ihre Versuche Einfluss auf das Alltagsleben in der Stadt zu nehmen, wurden häufiger.

Zeitgleich bildeten sich in den Wohnvierteln mit starker irischer Beteiligung freiwillige Feuerwehren, militärische Gesellschaften und Sozialvereine. Dort wo die Iren in der Überzahl waren, gingen die Frauen auch nur bei Obst-, Gemüse- und Lebensmittelhändlern einkaufen, die aus ihrem Heimatland stammten, während die Männer nach der Arbeit als Erstes einen Saloon ansteuerten, der von ihresgleichen betrieben wurde.

Die Aktivitäten der irischen Nationalisten in New York hatten nicht nur Auswirkungen auf die Stadt und ihre Verwaltung, sondern reichten sogar zurück in die alte Heimat. New Yorks Iren sandten Hunderttausende von Dollars über die Irish Emigration Society an ihre Familien in Irland. Schließlich gründete man 1850 die Emigrant Industrial Savings Bank, die auf der einen Seite die Ersparnisse der Einwanderer verwaltete und auf der anderen Seite dafür sorgte, dass die Geldsendungen in Irland die richtigen Personen erreichten.

Nicht alle sahen ihre Zukunft in irischen Enklaven in der Stadt.  Viele Immigranten von der Grünen Insel, die sich ökonomisch stabilisiert hatten, verließen die irisch dominierten Wohnviertel um sich in „besseren“ Nachbarschaften anzusiedeln. Was nicht bedeuten musste, dass sie sich nicht mehr für die Belange ihrer Landsleute interessierten, oder sich nicht mehr dafür einsetzten, aber die Lebensumstände in vielen dieser Bezirke entsprachen nicht mehr dem Selbstverständnis der in der sozialen Hierarchie Aufgestiegenen.


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